Quelle: Die Rheinpfalz   Nr.: 199    Samstag, 28. August 1999

DIE WOCHENEND-KOLUMNE
Ich bin der Meinung, ...

(Dietmar Einzmann)

... dass die Handballer am eigenen Grab schaufeln.

Platz drei bei den Europameisterschaften, mit etwas Pech und Dusseligkeit Rang fünf bei den Weltmeisterschaften diesen Jahres: Die jüngste Bilanz der deutschen Handballer kann sich durchaus sehen lassen. Doch die Erfinder dieser attraktiven, in der Vermarktung aber im Schatten des Fußballs dahindümpelnden Sportart, schaufeln weiter am eigenen Grab.

Denn anders als beim Fußball, wo sich die Zugkraft des Nationalteams, eng verbunden auch mit den letzten Leistungen, immer weiter verringert und die Vereine in den diversen Ligen das große Geld bringen, lebt das Ansehen der Handballer von dem ihrer nationalen Auswahl. Natürlich bietet auch die Bundesliga tolle sportliche Unterhaltung. Doch bei einer Live-Übertragung sinken die Einschaltquoten gegen Null, je weiter der lokale Bezug verloren geht, ansehnlich werden sie erst, wenn Deutschland gegen Schweden spielt. Zum Beispiel. Selbst da aber ist oft überraschend, besser gesagt enttäuschend, wie viele der 8oo.ooo Mitglieder im Verband die Mattscheibe dunkel lassen. Trotzdem, profitieren die Handballer aller Ligen von erfolgreichen Auftritten von Heiner Brands Wurfartisten.

Doch den Bundesligisten ist es offenbar relativ egal, wie diese über die Jahre gesehen hochkarätig gehalten werden können. In der höchsten deutschen Spielklasse tummeln sich nicht weniger als 115 Ausländer in 18 Vereinen. Asse zweifellos, vorm Publikum gern gesehene zumal, die ein hohes Niveau garantieren, In diesem Jahr so- gar vielleicht mit einem spannungsgeladenen Fünfkampf um den Titel mit Kiel, Flensburg-Handewitt, Lemgo, Magdeburg und Minden als Hauptdarstellern. Das lockt das Publikum in die Hallen, doch die sind bald gefüllt. Vor die Fernsehapparate, das Medium für die großen Werbeeinnahmen, zieht es nur zögerlich. Deshalb haben sich die Vereine in dieser Saison eine "Selbstbeschränkung" auferlegt. Das hört sich auf den ersten Ton gut und vernünftig an, ist aber nichts weiter als aus tiefer Not geboren. Die Gehälter, Ablösesummen und Handgelder haben die Klubs an den Rand des Ruins getrieben, nicht alle, aber die meisten. Und so heißt Selbstbeschränkung nichts anderes als sparen bevor die Lizenz weg ist.

Möglicherweise ist das der kleine Hoffnungsschimmer für den Bundestrainer, denn, wer sich die ausländischen Stars nicht mehr leisten kann, wird mehr auf den talentierten Nach- wuchs bauen. Das läuft den hochfliegenden Plänen vieler Bundesliga-Macher zuwider, die die Zukunft ihres Vereins gefährdet sehen, wenn "Lehrlinge" Meisterarbeit verrichten sollen.

Doch es könnte dazu beitragen, dass der deutsche Handball international (nicht unbedingt in den diversen Europacups) eben nicht in dieses "Loch- fällt, das Heiner Brand befürchtet, wenn Leistungsträger wie Wenta, Zerbe, Schwarzer, Petersen oder Bezidcek einmal aufhören. Ulrich Strombach, der Präsident des DHB, hat die Vision, junge deutsche Akteure könnten sich im Ausland die nötige Erfahrung holen. Das wäre ein Ausweg. Wenn da nicht dieses unüberwindbare Hindernis im Wege stünde: Wie soll sich ein junger Spieler für irgendwen, schon gar über den Landesgrenzen, empfehlen, wenn er gar keine Chance hat, seine Tauglichkeit für höhere Aufgaben nachzuweisen. Auch die starken Klubs in den Ligen Frankreichs, Spaniens oder auch Norwegens, Dänemarks und Schwedens verstehen sich sicher nicht als Lehrbetriebe. Sie wer, den kaum einen einkaufen, der sporadisch in der Bundesliga oder etwas öfter in der Zweiten Liga zum Zuge kommt, um mit ihm Verantwortung und Routine zu üben. Das müssen die deutschen Klubs schon selbst erledigen. Dazu braucht's zweifellos Mut zum Risiko, aber es sichert auch die Zukunft.